Was ist therapeutisches Rollenspiel?
Um diese Frage zu beantworten muss man ein kleines bisschen ausholen. Zuerst betrachten wir was Rollenspiel eigentlich ist, wie es (schon lange) im therapeutischen Kontext eingesetzt wird, und dann kontrastieren wir das mit "therapeutischem Rollenspiel".
Was ist Rollenspiel?
Rollenspiel ist eine Aktivität, bei der die Teilnehmer (Hinweis) in fiktive Charaktere schlüpfen und bestimmte Rollen in einer erfundenen Geschichte übernehmen. Diese Art des Spiels kann in Form von Tischrollenspielen stattfinden, bei denen kleine Miniaturen, Papier und Würfel zum Einsatz kommen. Es wird darum auch "Pen & Paper Rollenspiel" genannt. Ziel des Rollenspiels ist es, durch Interaktion und kreative Improvisation Geschichten zu entwickeln, Probleme zu lösen oder Konflikte zu bearbeiten, wobei die Charaktere und ihre Entscheidungen im Mittelpunkt stehen. Für "Krallen und Kräuter" beziehen wir uns nur auf das Pen & Paper Rollenspiel, es gibt aber auch noch andere Formen des Rollenspiels, z.B. als Computerspiel, oder als Live-Rollenspiel mit Kostümen und Requisiten.
Eine Rollenspielrunde funktioniert in der Regel so, dass die Teilnehmerinnen in einer Gruppe zusammenkommen, um gemeinsam eine Geschichte zu erleben. Eine sogenannte Spielleiterin (früher auch "Game Master" oder "Dungeon Master") führt die Gruppe, indem sie die Welt beschreibt, in der die Handlung stattfindet, und die Charaktere mit Herausforderungen, Konflikten und Ereignissen konfrontiert. Die anderen Spielerinnen übernehmen die Rollen von fiktiven Charakteren, die sie zu Beginn des Spiels erschaffen haben. Diese Charaktere haben bestimmte Fähigkeiten, Eigenschaften und Hintergrundgeschichten.
Im Spiel selbst beschreibt der Spielleiter einzelne Szenen oder Probleme, und die Spieler versuchen durch cleveres Handeln, Dialoge oder im Notfall auchmal mit Waffengewalt in der Handlung voranzukommen. In Konfliktsituationen werden oft Würfel eingesetzt, um zu entscheiden, inwieweit eine Aktion (z.B. eine anstrengende Kletterpartie oder ein Angriff mit dem Schwert) von Erfolg gekrönt ist.
Die Handlung entwickelt sich dynamisch, abhängig von den Entscheidungen der Spielerinnen und den Ideen der Spielleiterin. Das Spiel kann mehrere Stunden oder sogar mehrere Sitzungen dauern, wobei das Ziel in der Regel ist, gemeinsam eine Geschichte zu erzählen und die Charaktere durch die Handlung zu leiten.
Rollenspiele in der Psychotherapie
In der Therapie wird Rollenspiel als eine Methode eingesetzt und verwendet, um Menschen bei der Bewältigung von psychischen Problemen, emotionalen Herausforderungen oder zwischenmenschlichen Konflikten zu unterstützen. Dabei schlüpfen die Patienten in verschiedene Rollen, um bestimmte Situationen oder Konflikte aus ihrer eigenen Lebenswelt zu bearbeiten oder neue Perspektiven einzunehmen.
Im Rollenspiel können Patientinnen beispielsweise die Rolle des Ehepartners, der Mutter oder der Chefin übernehmen, um schwierige Gespräche oder Verhaltensweisen nachzuvollziehen, oder man spielt eine Szene aus der Vergangenheit oder Zukunft nach, um neue Einsichten zu gewinnen. Die Therapeutin begleitet und leitet den Prozess, gibt Hilfestellungen und sorgt dafür, dass das Rollenspiel in einem sicheren Rahmen stattfindet.
Das Ziel des Rollenspiels in der Therapie ist, den Patienten zu helfen, ihre Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen besser zu verstehen, alternative Handlungsweisen zu entwickeln und mehr Selbstbewusstsein sowie Empathie zu erlangen. Es wird in verschiedenen Therapieformen wie der Gestalttherapie, der Psychodrama-Therapie oder der Verhaltenstherapie eingesetzt, und das sowohl in Einzelsitzungen als auch in Gruppensitzungen. Es handelt sich hierbei um eine Technik, die seit vielen Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt wird und sich in der Praxis bewährt hat.
Therapeutisches Rollenspiel
Wir sehen, es gibt Rollenspiel als Spiel, und die Technik des Rollenspiels in der Therapie. Aber was ist nun "therapeutisches Rollenspiel"? Mal abgesehen von den leicht zu verwechselnden Begrifflichkeiten?
Als "therapeutisches Rollenspiel" (kurz: TRPG) bezeichnet man eine Variante des Pen & Paper Rollenspiel, bei dem der Spielleiter ein Therapeut ist, und die gespielten Abenteuer speziell entworfen worden sind, um den Spielern mit ihren psychischen Problemen zu helfen. Es ist quasi das Beste aus beiden Welten: der Spaß und das fantasievolle Eintauchen aus dem Hobby, kombiniert mit den Vorteilen der verhaltenstherapeutischen Technik. Der Ablauf ist sehr ähnlich zum "Hobby Rollenspiel", allerdings wird vor, während und nach jeder Sitzung auf das Befinden der Teilnehmer geschaut, und es werden ab und zu Fragen gestellt, die den Teilnehmern helfen sollen, besser von den auf verscheidene Störungsbilder abgestimmten Inhalten zu profitieren. Beim TRPG sollen die Pattienten spielend lernen, mit Ihren Erkrankungen besser umzugehen. Wie genau das funktioniert, ist hier detailierter beschrieben.
Krallen und Kräuter
Und was ist jetzt "Krallen und Kräuter"? Ganz einfach: ein Set von Regeln sowie einer ausgedachten Spielwelt, die für das TRPG genutzt werden können. Es enthält eine Anleitung welche Eigenschaften und Fähigkeiten ein Charakter in dieser Welt hat, wie man einen solchen erstellt, und wie man dann am Tisch mit Würfeln bestimmt, ob bestimmte Handlungen erfolgreich waren. Dazu kommt eine umfassende Beschreibung der Welt: was für Wesen leben darin, wie die Weltkarte aussieht, ob es Magie gibt, und wenn ja welche, und vieles mehr. Krallen und Kräuter ist eines der ersten deutschen TRPG-Systeme, und von einem Therapeuten und Rollenspieler (und natürlich mit einigen anderen Rollenspielerinnen gemeinsam) für das therapeutische Rollenspiel geschrieben.
Ich lege großen Wert auf geschlechter-gerecht-ere Sprache. Wie wir sprechen beeinflusst wie wir denken und andersherum. Die deutsche Sprache kennt für alle Wörter ein Geschlecht, und das ist auch garnicht anzufechten. Niemand möchte Wörter wie Rüd*innen (für männliche Hunde) oder Stühl*innen schreiben oder Lesen. Aber, gerade bei Berufsbezeichnungen oder Personenbezeichnungen (der Chef, der Polizist, der Spielleiter) entstehen so schnell unnötige Stereotype. Chefinnen, Polizistinnen oder Spielleiterinnen sollten kein "Aftertought" sein, kein Zusatz zur dominierend männlichen Form, sondern selbstverständlich mitgenannt werden. Nicht nur: mitgemeint sein.
Aus diesem Grund gebe ich mir Mühe, woimmer möglich diese Schreib- und Denkweisen aufzubrechen. Allerdings sollte dies nicht die Lesbarkeit des Textes signifikant reduzieren. Leider sind sowohl "Patient", "Spieler" als auch "Spielleiter" drei sehr häufige Wörter auf einer Seite über therapeutisches Rollenspiel, alle männlich, und leider auch nicht so elegant zu umgehen. "Spielende" lässt sich geschlechtsneutral verwenden, "Leitende" notfalls auch, ist aber schon weniger elegant. Ich habe probiert, diesen Teil meiner Seite konsequent durchzu-gendern, aber der Text war leider nicht so lesbar wie ich das mir gewünscht habe, vor allem da die Inhalte garnicht so einfach zu verstehen sind, wenn man noch keine Rollenspielerfahrung hat.
Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, im Bereich für therapeutisches Rollenspiel die männliche und weibliche Form absatzweise wechselnd zu verwenden. Als "Spieler" und "Spielerin", "Spielleiter und Spielleiterin". Dies mag anfangs ein bisschen ungewohnt sein, aber erscheint mir in diesem Fall die sinnvollste Lösung.