Psychotherapie
Brauche ich Therapie?
Zu allererst sollte die Frage im Raum stehen, ob eine Therapie überhaupt notwendig und richtig für Sie ist. Dafür hat der Gesetzgeber die "Psychotherapeutische Sprechstunde" geschaffen. Jeder niedergelassene Therapeut ist verpflichtet, jede Woche eine gewisse Zeit für interessierte Patienten zu reservieren, damit diese Abklärung erfolgen kann. In der Sprechstunde soll festgestellt werden, ob eine behandelnswerte Störung vorliegt, und wie dies am besten geschieht.
Aber fangen wir doch mal vorne an. Was ist überhaupt eine Therapie? Der Gesetzgeber definiert Therapie als "eine Behandlung von psychischen [...] Erkrankungen mithilfe von wissenschaftlich anerkannten Verfahren, Methoden und Techniken".
Und was ist dann eine psychische Erkrankung? Psychische Erkrankungen, das weckt in vielen Bilder von Gummizellen, düsteren Betonblöcken und weißgekleideten Ärzten, die die "Irren" behandeln. Glücklicherweise entspricht dieses Bild keineswegs der Realität. "Psychische Erkrankung" ist vom Gesetzgeber auffällig wenig genau definiert. Und das ist auch gut so, denn es gibt keine feste Regel dafür, was "normal" und was "gesund" ist. Im Allgemeinen kann man von einer psychischen Erkrankung sprechen, wenn Sie unter Ihrem momentanen psychischen Zustand leiden, sei es aufgrund großer Trauer, Angst, Unsicherheit, Ihrer Sexualität, Schwierigkeiten im Job oder der Familie oder anderen Gründen. Einzig relevant ist erstmal, dass Ihnen auf die ein oder andere Weise Leid entsteht und Sie sich Besserung wünschen.
Die zweite Hälfte der Definition von Psychotherapie war, dass die Behandlung anhand wissenschaftlich anerkannter Verfahren erfolgt. Wenn ich Ihnen also die Tarotkarten lege, um Ihnen zu helfen, und es keine umfassenden Studien dazu gibt, dass Tarotkarten helfen, machen wir laut Definition keine Therapie. Das wird später nochmal wichtig.
Wie funktioniert Therapie?
Therapie erfolgt in einem persönlichen Gespräch. Manchmal kann es nötig sein, die Gespräche durch konkrete Übungen zu erweitern, z.B. mit einem Hund spielen um Angst vor Hunden zu reduzieren, oder in die Innenstadt zu gehen bei der Behandlung von sozialen Ängsten. Die Gespräche können alleine mit dem Therapeuten oder im Rahmen einer Gruppentherapie erfolgen. Ein ganz wichtiger Faktor bei der Wirksamkeit von Therapie ist eine positive, vertrauensvolle Beziehung zwischen Therapeut und Patient. Sie sollten schon in den ersten Sitzungen ein "gutes Gefühl" haben, zu Ihrem Therapeuten zu gehen. Andersherum ist die Überzeugung des Therapeuten, Ihnen helfen zu können, auch ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Gemeinsam erarbeiten Sie erstmal ein Modell Ihres Problems, überlegen gemeinsam was Sie verändern wollen, und dann versuchen Sie als Team durch gezielte Interventionen diese Veränderungen zu erreichen. In den Gesprächen werden, hier kommt es wieder, wissenschaftlich anerkannte Methoden der Gesprächsführung und entsprechende Übungen verwendet.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Nach der psychotherapeutischen Sprechstunde gibt es verschiedene Arten wie es weitergehen kann.
- Eine Therapie ist nicht das Richtige für Sie. Auch wenn es selten ist, kann diese Situation vorkommen.
- Eine ambulante Therapie bei einem Therapeuten. "Ambulant" heißt Sie kommen zur Behandlung zum Therapeuten in die Praxis, üblicherweise einmal in der Woche.
- Bei der tagesklinischen bzw. teilstationären Behandlung schlafen Sie daheim, und sind meist auch am Wochenende daheim, gehen aber tagsüber in die Tagesklinik und bekommen dort Ihre psychotherapeutische Behandlung. Ob eine tagesklinische Behandlung für Sie in Frage kommt, hängt natürlich auch davon ab, ob es eine gut erreichbare Tagesklinik in der Nähe gibt.
- Bei einer stationären Behandlung (in der Regel in einer psychiatrischen Klinik) sind Sie durchgehend in der entsprechenden Einrichtung untergebracht. Sie essen und schlafen dort, und haben tagsüber therapeutisches Programm.
Im Rahmen der ambulanten Therapie gibt es mehrere "Ausprägungen", die sich im Endeffekt nur in ihrer Länge unterscheiden. Es gibt die Akutbehandlung, die nur in Einzeltherapie erfolgen darf, und in der Regel 12 oder weniger Behandlungen umfasst. Danach folgt die Kurzzeittherapie mit bis zu 24 Sitzungen und die Langzeittherapie. Es ist in der Regel möglich zu verlängern, also z.B. eine Kurzzeittherapie in eine Langzeittherapie umzuwandeln.
Welche Fachrichtungen gibt es?
Wie eingangs erwähnt, muss eine Therapie mithilfe von wissenschaftlich anerkannten Verfahren erfolgen. Davon gibt es einige. Man muss unterscheiden zwischen "wissenschaftlich anerkannt" (heißt: der wissenschaftliche Beirat für Psychotherapie bestätigt die Wirksamkeit) und "sozialrechtlich anerkannt" (heißt: der gemeinsame Bundesausschuss beschließt das die Krankenkassen auch zahlen). Es gibt leider einige Therapieformen die wissenschaftlich, aber nicht sozialrechtlich anerkannt sind, z.B. Hypnosetherapie als alleinstehende Therapieform.
Sozialrechtlich anerkannt sind folgende vier Therapieformen (Die Texte sind dem PTV10 entnommen):
- Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass psychische Beschwerden das Ergebnis von bewussten und nicht-bewussten Lernprozessen sind. Zu Beginn der Behandlung wird gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet, welche Bedingungen seiner Lebensgeschichte und seiner aktuellen Lebenssituation zur Entstehung und Aufrechterhaltung der psychischen Symptomatik beigetragen haben und weiter wirksam sind. Auf dieser Grundlage werden gemeinsam die Therapieziele und der Behandlungsplan festgelegt. In der Verhaltenstherapie wird der Patient zur aktiven Veränderung seines Handelns, Denkens und Fühlens motiviert und angeleitet. Dabei werden die bereits vorhandenen Stärken und Fähigkeiten herausgearbeitet und für den Veränderungsprozess nutzbar gemacht. - Psychoanalyse
Die analytische Psychotherapie nimmt an, dass Krankheitssymptome durch konflikthafte unbewusste Verarbeitung von frühen oder später im Leben erworbenen Lebens- und Beziehungserfahrungen verursacht und aufrechterhalten werden. In der therapeutischen Beziehung zwischen Patientin oder Patient und Therapeutin oder Therapeut spielt das Erkennen und Bewusstmachen von verdrängten Gefühlen, Erinnerungen und Beziehungsmustern, die gegenwärtig Krankheitssymptome verursachen, eine zentrale Rolle. Dadurch kann in der Gegenwart zunächst unverständlich erscheinendes Fühlen und Handeln in der therapeutischen Beziehungsarbeit verstanden und verändert werden. - Tiefenpsychologische fundierte Psychotherapie
Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie sieht Krankheitssymptome als Folge von aktuellen Konflikten in Beziehungen oder von nicht bewältigten Beziehungserfahrungen und Konflikten aus früheren Lebensphasen. Diese Konflikte und Erfahrungen können das spätere Leben bestimmen und psychische Erkrankungen zur Folge haben. Ziel der Behandlung ist es, die zugrundeliegenden unbewussten Motive und Konflikte der aktuellen Symptome zu erkennen und sich mit diesen auseinanderzusetzen. Patientin oder Patient werden in der Psychotherapie dabei unterstützt, durch Einsichten in die Zusammenhänge und Ursachen der aktuellen Symptome Veränderungen im Erleben oder Verhalten zu erreichen. - Systemische Therapie
Die systemische Therapie konzentriert sich auf den Menschen in seinen sozialen Netzwerken. Krankheitssymptome entstehen durch Spannungen, die innerhalb der Netzwerke auftreten. Häufig werden hierbei Mitglieder des sozialen Umfeldes in die Behandlung mit einbezogen.
Wer darf mir alles ambulante Therapie anbieten?
Therapie anbieten darf nur, wer die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde besitzt. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: den Heilpraktiker, oder eine Approbation. Die heilpraktischen Kollegen seien an dieser Stelle kurz erwähnt. Deren Ausbildung ist leider sehr vielfältig. Vom Wochenendkurs bis zur mehrjährigen anspruchsvollen Ausbildung ist dort alles möglich. Darum kann man leider nur sehr schwer eine pauschale über die Qualität der Behandlung dort geben, und ich empfehle die Behandlung dort grundsätzlich nicht. Nicht weil es nicht gute Heilpraktiker gäbe, sondern weil ich nicht sicher weiß, welcher Qualität die Arbeit der Kollegen ist.
Eine Approbation ist eine staatliche Prüfung, die man in einem der sozialrechtlich anerkannten Verfahren absolviert. Um zugelassen zu werden, muss man umfangreiche Fachkenntnisse und praktische Erfahrungen im Rahmen der Ausbildung von i.d.R. 3 Jahren nachweisen. Ist man approbiert, darf man Heilkunde ausüben. Das heißt aber nicht, dass die Krankenkasse das bezahlt. Man darf eine sog. Privatpraxis eröffnen. Um die Erlaubnis zur Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen zu bekommen, bedarf es eines sog. Kassensitzes. Der "stereotype" Therapeut ist approbiert, und hat einen Kassensitz.
Bitte beachten Sie, dass es neben den psychologischen Psychotherapeuten noch ärztliche Psychotherapeuten und Psychiater gibt, die manchmal auch Therapie anbieten (und als Ärzte auch approbiert sind). Ein Psychiater ist aber nicht das gleiche wie ein psychologischer Psychotherapeut. Vielmehr sind beide üblicherweise Teil eines "Teams", bei denen einer die körperliche und medikamentöse, der andere die psychotherapeutische Betreuung leistet.
Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten?
Psychotherapie ist wie jede Behandlung nicht frei von Nebenwirkungen. Es können Stress, Symptomverschlechterungen, familiäre Spannungen oder andere Nebenwirkungen auftreten.
Ihr Umfeld wird unter Umständen bemerken, dass Sie sich verändern – nicht immer muss dies auch auf Gegenliebe und Freude stoßen. Manchmal kann es auch geschehen, dass ein*e Patient*in sich von der Sicherheit der therapeutischen Beziehung abhängig fühlt, und Entscheidungen lieber erst mit dem Therapeuten bespricht, statt unabhängig und selbstständig zu sein.
Bitte geben Sie mir Bescheid, sollten sie während der Behandlung bei mir Nebenwirkungen bei sich bemerken. Wir können dann versuchen, diese zu reduzieren.
Welche Rechte habe ich als Patient?
Behandlungsvertrag: Sie haben das Recht, dass die Bedingungen der Behandlung vor Aufnahme der Behandlung in einem Behandlungsvertrag festgehalten werden. Sie haben einen Anspruch darauf, dass die Behandlung den versprochenen, dem Stand der Forschung entsprechenden Standards genügt.
Informations- und Aufklärungspflichten: Sie haben ein Recht darauf, über alles aufgeklärt zu werden, was Ihre Therapie betrifft. Sie müssen über Kosten, Risiken, Behandlungsverlauf und mögliche Alternativen informiert werden.
Patientenakte und Einsichtsrecht: Der Therapeut hat alles zeitnah und vollständig in der Akte zu dokumentieren. Sie haben als Patient*in das Recht, jederzeit Einsicht in die Akte zu nehmen, und auch Kopien zu fertigen. Nachträgliche Veränderungen an der Akte hat der Therapeut kenntlich zu machen. Dies gilt auch für elektronisch geführte Akten. Der Therapeut darf Ihren Wunsch, Einsicht zu nehmen, ablehnen, muss dies aber besonders begründen.
Behandlungsfehler: Bei Behandlungsfehlern ist es vor Gericht einfacher, die Schuldhaftigkeit zu beweisen. Bei sogenannten „voll beherrschbaren Risiken“, also bekannten Komplikationen, die der Therapeut hätte abwehren können müssen, gilt eine Beweislastumkehr: der Therapeut muss beweisen, dass er alles unternommen hat den Patienten zu schützen, und den Schaden *nicht* verursacht hat.
Offizielle Beschwerde: sollte der Therapeut gegen die Berufsordnung verstoßen, können Sie bei der zuständigen Kammer eine offizielle Beschwerde einreichen. Hierzu gehören unter anderem folgende Verstöße:
- Unzureichende Aufklärung
- Therapie wird nicht fachkundig oder nach bestem Wissen durchgeführt
- Der Therapeut macht unrealistische Hoffnungen oder Versprechungen auf Besserung oder Heilung
- Respektloser Umgang mit Patienten oder Angehörigen (Beschimpfungen etc.)
- Der Therapeut indoktriniert den Patienten bezüglich Weltanschauung, Politik oder Religion
- Missachtung der therapeutischen Abstinenz (der Therapeut darf aus der Beziehung zum Patienten außer der tariflichen Bezahlung keine persönlichen oder wirtschaftlichen Vorteile ziehen. Private Unternehmungen wie z.B. Essen gehen, Geschenke oder Erbschaften annehmen, Geschäfts- oder Arbeitsbeziehungen eingehen, sexuelle Beziehungen oder Handlungen sind untersagt).
- Bruch der Schweigepflicht
- Verweigerung des Einsichtsrechts ohne ausreichende Begründung
- Unangemessene Therapiebedingungen oder zu hohe Ausfallhonorare
- Aufzeichnung der Therapiesitzungen ohne Einverständnis des Patienten